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Profitgier oder Notwendigkeit - wird ChatGPT zum Werbe-Chatbot?
Ein kalter Wind weht durch die KI-Community. Der einstige Hoffnungsträger und das Aushängeschild der künstlichen Intelligenz, ChatGPT, steht plötzlich am Scheideweg. Was als revolutionäres, werbefreies Erlebnis begann, droht nun, den unausweichlichen Weg aller erfolgreichen Internetplattformen zu gehen. Der Grund: Durchgesickerte Code-Fragmente deuten darauf hin, dass OpenAI eifrig daran arbeitet, Werbeanzeigen in zukünftige Versionen seines Chatbots zu integrieren.
Das Schlagwort, das die Runde macht und das allgemeine Entsetzen zusammenfasst, ist schnell gefunden: Enshitification - so nannte Science-Fiction-Autor, Journalist und Blogger Cory Doctorow die schrittweise Verschlechterung digitaler Dienste um mehr Profit herauszuschlagen.
Der Leak: Wenn Code-Zeilen die Zukunft verraten
Die Schocknachricht verbreitete sich dank Tibor Blaho über verschiedene Tech-Portale, nachdem der Entwickler und bekannte Code-Leaker Tibor Blaho in der Android-Beta der ChatGPT-App (Version 1.2025.329) auf verdächtige Code-Fragmente stieß. Und die Fundstücke klingen erstaunlich vertraut, fast schon unheimlich nach dem, was wir alle von der klassischen Websuche kennen:
- search ad
- search ads carousel
- bazaar content
Diese Begriffe sind fast eine Blaupause für das, was Google seit Jahrzehnten in seiner Suchmaschine perfektioniert hat: prominent platzierte Anzeigen, visuelle Karussells mit Produktbildern und bezahlte Inhalte. Es deutet alles darauf hin, dass ChatGPT nicht nur Antworten liefern, sondern uns künftig auch mehr oder weniger sanft zum Kauf von Produkten oder Dienstleistungen führen soll.
Die Ära der reinen Wissensabfrage scheint damit vorbei zu sein, nicht nur Fachleute sehen die Gefahr, dass der Chatbot mit den sich andeutenden Entwicklungen zum kommerziellen Empfehlungs-Roboter mutiert.
Hohe Kosten, harter Druck: Die nackte Realität der KI
Wer jetzt überrascht die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, vergisst vielleicht die wirtschaftliche Realität hinter der Künstlichen Intelligenz. Das Betreiben eines Dienstes wie ChatGPT, der täglich Milliarden von Anfragen verarbeitet, verschlingt astronomische Summen an Rechenleistung. Die Kosten für die ständige Inferencing – also die Generierung der Antworten – sind gigantisch, und selbst die Einnahmen aus der ChatGPT Plus-Abonnementversion reichen offensichtlich nicht aus, um die Investitionen und laufenden Ausgaben zu decken.
OpenAI steht unter enormem Druck, das Geschäftsmodell zu skalieren - und zu monetarisieren. Zwar hat der Chatbot Hunderte Millionen wöchentlich aktive Nutzer, aber die überwiegende Mehrheit nutzt die kostenlose Version. Und dort, wo keine Abo-Gebühren fließen, muss irgendwann die Werbung ran.
OpenAI scheint damit den logischen, aber von der Community gefürchteten Schritt zu gehen: Wenn die KI-Suche die traditionelle Websuche ersetzt, dann muss sie schlichtweg auch deren lukrativstes Geschäftsmodell übernehmen.
Dabei hatte man sich schon an die bequeme, schnelle, reine Wissensvermittlung gewöhnt, nur um jetzt festzustellen: Das Goldene Zeitalter ist vorbei. Der Unmut ist groß, und in Foren hört man bereits Drohungen: Im Falle einer Werbeflut werde man zu werbefreien Alternativen wie Googles Gemini oder den zunehmend leistungsstarken Open-Source-Modellen wechseln, die gerne auch mal aus China kommen dürfen.
Die Zwickmühle der freien KI
Ob und wann OpenAI die Werbefunktion tatsächlich freischaltet, ist noch unklar. Bislang handelt es sich lediglich um technische Vorbereitungen im Code.
Aber auch für OpenAI dürfte die Zukunftsplanung ein Drahtseilakt sein: Wie kann man die notwendige Monetarisierung durchsetzen, ohne die Nutzer zu verärgern, die den Chatbot gerade wegen seiner sauberen Oberfläche und der reinen Antworten lieben gelernt haben? Und wie stellt man seine Investoren zufrieden, die es auch gerne sehen würden, wenn sich Investitionen auszahlen?
Sollte die "Enshitification" eintreten, könnte dies der größte Segen für Open-Source-KI und die Konkurrenz werden – denn dann heißt es für die Nutzer: Ad Blocker an und den digitalen Nomaden-Rucksack packen, um das nächste werbefreie Ufer zu suchen. Die Revolution frisst ihre Kinder, und manchmal beginnt sie mit einem kleinen, bezahlten Werbekarussell.
Foto: Dylan Gonzalez
02.12.2025
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