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Laden Schluss. Oder doch nicht? Wie der lokale Einzelhandel gegen die Übermacht der großen Onlinehändler bestehen kann.
Am "LadSchlG", dem "Gesetz über den Ladenschluß", erhitzen sich derzeit die Gemüter. Während die einen liberalere Regelungen und flexiblere Öffnungszeiten fordern, wollen andere penibel an den im oben genannten Gesetzestext hinterlegten Paragraphen festhalten. In einigen Bundesländern wird durchaus großzügig mit dem Ladenschluß umgegangen, in anderen - insbesondere süddeutschen Gefilden - will es der Gesetzgeber eher strikt und genau. Und wehe nicht.
Hinzu kommen eine ganze Anzahl von schwer verständlichen Ausnahmeregelungen und "Kann"-Bestimmungen - so dürfen in touristisch relevanten Gebieten am Sonntag Sonnenbrillen verkauft werden, Regenschirme hingegen nicht. Das verstehe, wer will.
Fragt man, was Einzelhändler, Ladenbesitzer und deren Lobbyvertreter wollen, ist die Lage glasklar und die Zukunft grauenvoll. Daher: 24 Stunden Öffnungszeit sollen es schon sein und das bitteschön an 8 Tagen in der Woche, ansonsten kommen die apokalyptischen Reiter über das Internet. Schließlich sind einzig und allein dieses pöhse Netz und die dort agierenden großen Online-Händler dafür verantwortlich, dass kleine Läden dichtmachen müssen, Arbeitsplätze verloren gehen und scheinbar ganze deutsche Innenstadtlagen veröden wie die South Bronx in den 70er Jahren.
Aber ist das wirklich so? Ich habe eher den Eindruck, dass sich viele Einzelhändler weigern, technischen Fortschritt anzuerkennen und den Aufbau neuer Vertriebswege über das Internet scheuen, wie der Teufel das Weihwasser. Wenn man sich die Online-Präsentationen mancher lokaler Ladengeschäfte anschaut, kann man nur mit dem Kopf schütteln - im Einzelhandel scheint man einfach noch nicht im Jahre 2017 angekommen zu sein.
Wer oder was hindert denn den Einzelhandel daran, Waren, Produkte, Dienstleistungen - und ja, auch Beratung - über neue Kanäle feilzubieten? Was spricht denn dagegen, gemeinsame Vertriebsplattformen zu entwickeln, um die Verluste, die von der Online-Konkurrenz beschert werden, abzufedern und zu kompensieren? Wieso gibt es noch immer keine vom lokalen Handel ins Leben gerufene innerstädtischen Lieferketten, die die Kunden zeitnah mit ihren Bestellungen versorgen? Nein, man überlässt es Amazon und ein paar anderen Internet-Giganten, Kaffee, Gurken und Zahnbürsten auszuliefern.
Die Anstrengungen von REWE, EDEKA & Co. gehen schon mal in die richtige Richtung. Doch es wird nicht reichen, einen Online-Shop über die Strukturen des klassischen Einzelhandels zu stülpen. Kein Kunde hat ein gesteigertes Interesse an überteuerten Salatköpfen, die zwei Tage brauchen, um in der Schüssel zu landen. Und hier liegt eigentlich das große Potential des lokalen Einzelhandels: Kurze Lieferwege auch in Großstädten, viele Produkte ab Lager verfügbar, viele hochwertige Produkte teilweise aus eigener Herstellung abseits vom üblichen Sortimentseinerlei. Bei beratungsintensiven Produkten können die Fachleute im Einzelhandel ihre Kompetenz ausspielen - warum nicht über Online-Kanäle wie Messenger- und Streamingplattformen? Aber statt dessen weint man ins Taschentuch, schimpft auf den Online-Handel und drängt den Gesetzgeber, den Ladenschluss zu lockern - was mancherorts sicher Sinn machen würde, aber: Ob sich aus vier Sonntagen und einer Geschäftsöffnung bis in die Nachtstunden eine wirtschaftliche Gesundung des lokalen Einzelhandels herausschlagen lässt, wage ich zu bezweifeln. Schließlich muss die Logistik entsprechend erweitert werden und hochmotivierte Mitarbeiter (die gut bezahlt werden wollen) wachsen auch nicht auf Bäumen.
Gefragt sind also kreative Lösungen, die die lokale Kundschaft erreichen, überzeugen und bei der Stange halten - und das geht in der Regel nicht über eine verstaubte Website. Nein, hier ist der neueste technische Stand gefragt, bei der Logistik ebenso wie bei Präsentation, Sicherheit und Payment. Und natürlich müssen alle verfügbaren Marketing-Kanäle eingebunden sein, insbesondere Social Media und Mobile Advertising. Kunden müssen einfach wissen, welche fantastischen Angebote in ihrer unmittelbaren Umgebung bereitgehalten werden. Denn Kunden, die Waren nicht finden oder denen Waren gar nicht erst angeboten werden, werden sie auch nicht kaufen.
Michael Schmidt
Foto: media Verlagsgesellschaft GmbH, Hemera Technologies Inc.
24.07.2017
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