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Einzelhandel in der Klemme - was tun gegen die Online-Konkurrenz?
Online-Shopping boomt. Ganz gleich ob Bücher, Kleidung, Lebensmittel, Technik, ja sogar sperrige Möbel und Autoreifen - immer mehr Menschen lassen sich begehrte Waren ohne nennenswerte Wartezeiten bequem nach Hause liefern und profitieren von großzügigen Rückgaberegelungen. Um mehr als zehn Prozent steigern sich die Online-Umsätze jedes Jahr. Dagegen sieht der stationäre Einzelhandel ziemlich alt aus und hat bis zum heutigen Tag keine schlüssigen Rezepte gegen den Wettbewerb aus dem Internet entwickelt. Die Folge: Gerade kleinere Geschäfte können nicht mehr mithalten.
Das Gejammer ist groß, doch die Probleme sind hausgemacht: Seit knapp zwei Jahrzehnten haben Generalisten, Grossisten, Filialisten und kleine Einzelhändler eine absehbare Entwicklung verschlafen und das Spielfeld den Großen überlassen, die sich frei von inländischem Wettbewerb breit machen konnten. Nun bestimmen Marktführer wie Amazon, Otto und Zalando hierzulande die Spielregeln - und die Preise. Einzelhändler, die sich dem Amazon-Diktat unterwerfen und die Plattform als Online-Schiene nutzen, klagen über lächerliche Margen und werfen dem Online-Riesen sogar unlauteren Wettbewerb vor.
Wie konnte es soweit kommen? Warum haben Händler- und Einzelhandelsverbände, Handelskammern, ja auch Gewerkschaften wie ver.di nicht gegengesteuert? Spätestens Mitte der 2000er Jahre muss den Entscheidern an den Schaltstellen des Einzelhandels doch klar gewesen sein, dass Onlineshopping das große Ding im Internet ist - bzw. werden wird? Zwar gab es vereinzelt Insellösungen, Bestell- und Lieferdienste bei den Lebensmittelfilialisten zu etablieren - die insgesamt nicht sehr erfolgreich waren. In einigen Fällen waren derlei Projekte sogar der Sargnagel für ehemalige Branchenriesen. Und was bei den Ketten gescheitert ist, haben die meisten kleinen Händler gar nicht erst begonnen - von wenigen Ausnahmen mal abgesehen.
Diejenigen, die frühzeitig ins Online-Geschäft eingestiegen sind, haben heute den Fuß in der Tür und fahren enorme Online-Umsätze ein: Conrad, Alternate, Tchibo oder Saturn können Amazon durchaus das Wasser reichen, der oberfränkische Musikalienhändler Thomann hat es in den letzten Jahren sogar zum Weltmarktführer gebracht und lässt den Handelsriesen aus Seattle - zumindest in diesem Marktsegment - ganz schön alt aussehen.
Doch diese Entwicklung wurde in der Regel von großen, etablierten Filialketten initiiert, die inzwischen rund 85 Prozent des stationären Handels ausmachen. Der kleine Laden an der Ecke blieb die letzten Jahre hingegen komplett aussen vor.
Was hindert die Händler eigentlich daran, ihre Waren und Produkte nicht nur in der Fussgängerzone, sondern auch über diverse Online-Kanäle feilzubieten? Wieso gibt es noch immer keine gemeinsamen Vertriebsplattformen, die kleine Einzelhändler nutzen können, um die Verluste abzufedern, die ihnen von der Online-Konkurrenz beschert werden? Wieso gibt es noch immer keine vom lokalen Handel ins Leben gerufene innerstädtischen Lieferketten, die die Kunden zeitnah mit ihren Bestellungen versorgen? Nein, man überlässt es Amazon und ein paar anderen Internet-Giganten, die vom Kunden angefragten Waren zu verkaufen.
Seit Jahren wirkt sich diese Entwicklung auf die Struktur der Innenstädte aus, kleine Läden verschwinden, die Geschäfte bleiben leer oder werden von Handyläden, Wettbüros oder großen Handelsketten übernommen - je nach Innenstadtlage. München, Frankfurt, Leipzig sehen da noch ganz gut aus - andere, oft kleinere Städte, werden zur Bronx. Dabei hat inzwischen eine Entwicklung eingesetzt, die eigentlich für die kleinen Geschäfte arbeitet: "Kauf lokal" heißt die Kampagne und viele Kunden haben erkannt, dass sie durch ihr Kaufverhalten das Ladensterben in den Innenstädten verhindern können. Doch bei allem Optimismus wird die neue lokale Kauflust bei weitem nicht ausreichen, um die Umsätze auf ein "Vor-Internet-Niveau" zu hieven.
Das große Potential kleiner Einzelhändler liegt darin, dass ein Teil des Geschäfts ins Internet verlagert wird. Doch es wird nicht reichen, einen Standalone-Online-Shop über eingefahrene Systeme zu stülpen. Es braucht innovative Strukturen, die es den Händlern ermöglichen, Bestellungen über kurze Lieferwege innerstädtisch zum Kunden zu bringen. Bei Waren aus eigener Herstellung oder beratungsintensiven Produkten könnten die Fachleute aus dem Einzelhandel ihre ganze Kompetenz ausspielen - warum nicht mit Produktpräsentation und fundierter Beratung über die angesagten Social-Media-Kanäle?
Der stationäre Einzelhandel hat durchaus eine Zukunft, doch er muss sich neu erfinden. Gefragt sind kreative Lösungen, die die lokale Kundschaft erreichen, überzeugen und bei der Stange halten - auch wenn die nicht tagtäglich im Laden vorbeischaut. Und das geht in der Regel nicht über eine verstaubte Website. Es ist für den Händler geradezu Pflicht, das eigene Geschäft zu digitalisieren und alle relevanten Online-Marketing-Kanäle einzubinden - Stichwort Social Media. Denn Kunden, denen Waren und Produkte nicht angeboten werden oder die diese Waren und Produkte gar nicht erst finden - diese Kunden werden sie auch nicht kaufen.
Foto: media Verlagsgesellschaft GmbH, Hemera Technologies Inc.
02.02.2019
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