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Prof. Wolfgang Kleinwächter warnt vor verheerenden Angriffen auf die Internet-Infrastruktur - und mahnt internationale Vereinbarungen an

Prof. Wolfgang Kleinwächter warnt vor Angriffen auf die Internet-InfrastrukturWolfgang Kleinwächter, emeritierter Professor für Internetpolitik und -regulierung an der Universität Aarhus, Mitglied der ICANN, des IGF sowie der Global Commission on Stability in Cyberspace warnt im Online-Magazin brinknews.com vor den unabsehbaren Folgen eines Angriffes auf die Infrastruktur des Internets und prophezeit, dass kriminelle und militärische Cyberoperationen, digitale Handelskriege und Menschenrechtsverletzungen die Server, Satelliten und Kabel des Internets lahm legen könnten. Und wenn das passiert, hätte die ganze Menschheit ein echtes Problem. Internationale Vereinbarungen sollen Regeln schaffen - und deren Einhaltung sicherstellen.

Das Internet ist ein dezentrales Geflecht zehntausender Netzwerke - ohne Ein- und Ausschaltknopf. Die weltweite Infrastruktur besteht aus einer Vielzahl von Computern, Servern, Routern, Satelliten, Antennen, digitalen Peripheriegeräten, Kabeln und tausender Kilometer Unterwasserleitungen - die bisher insbesondere vor dem Hintergrund wachsender politischer Turbulenzen erstaunlich reibungslos funktioniert haben. Derzeit werkeln über 1.000 Root-Server im globalen Root-Server-System und ermöglichen die Echtzeit-Kommunikation zwischen vier Milliarden Internetnutzern weltweit.

Doch diese Infrastruktur ist bedroht, so Kleinwächter. In letzter Zeit hat es mehrere Fälle gegeben, die Fragen über das Funktionieren des globalen Internets aufgeworfen haben. So gab es im Januar 2019 einen Angriff auf DNS und Netnods I-Root-Server, die in Schweden beheimatet sind. Die bisher unbekannten Angreifer hatten sich zunächst Internetadressen aus dem Libanon (.lb) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (.ue) angeeignet, um Login-Daten und andere Sicherheitsinformationen zu stehlen. Mit diesen Informationen kann ein Angreifer beispielsweise den E-Mail-Verkehr erheblich stören und Nachrichten in andere Richtungen lenken. In diesem Fall hatten die Schweden ihre Anlagen gut geschützt und der Schaden war begrenzt. In einem Worst-Case-Szenario hätte das aber auch ganz anders ausgehen können und die weltweite Kommunikation wäre u.U. erheblich gestört worden.

Wenige Monate später unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin ein neues Gesetz zur Schaffung eines unabhängigen "russischen Internets". Um das Land vor möglichen amerikanischen Sanktionen zu schützen, schlug Russland vor, eine eigenes Internet-Root und DNS aufzubauen. Der Gedanke ist nicht neu: ein russisches DNS könnte den Internetverkehr aufrechterhalten, sollte Russland jemals vom globalen Internet getrennt werden. Nachvollziehbar ist das Ansinnen eines eigenes Netzes allemal - Cyberkrieg und Cyberkriminalität, Streitigkeiten über den Handel mit digitalen Daten, Zensur und Überwachung - all das sind politische Probleme, die sich heute in einem digitalen Kontext abzeichnen und denen vorgebeugt werden sollte.

Bisher haben Regierungen und private Organisationen mehr oder weniger reibungslos zusammengearbeitet, auch wenn sich das Wirken der ICANN, der regionalen Internet-Register oder des World Wide Web Consortium weitgehend der politischen Einflussnahme entzieht. Diese Zusammenarbeit zwischen allen involvierten Interessengruppen hat dem Ökosystem Internet Stabilität, Wachstum und Robustheit verliehen. Vier Milliarden Internetnutzer und die gesamte Weltwirtschaft profitieren jeden Tag von diesem Arrangement.

Aber es gibt keine Garantie, dass es so bleibt, so Kleinwächter, auch wenn heute noch niemand eine Antwort darauf hat, wie ein umfassender Schutz des Netzes technisch umgesetzt werden könnte. Denn nicht nur Kriminelle und politische/religiöse Fanatiker haben es auf das Internet abgesehen - immer wieder haben auch reaktive nationale Vorschriften das Potenzial, die Stabilität des Cyberspace zu untergraben. Um so ermutigender ist es laut Kleinwächter, dass nationale und internationale Interessengruppen miteinander reden und ein Teil grundlegender Forderungen befindet sich bereits in der EU-Cybersicherheitsrichtlinie vom April 2019 und im Pariser Aufruf zu Vertrauen und Sicherheit im Cyberspace vom November 2018. Doch die Regierungen Chinas, Russlands und der USA hielten sich bislang vornehm zurück, so Kleinwächter - und auch chinesische Internet-Giganten wie Alibaba, Baidu, Tencent und Huawei befinden sich noch in der Warteschleife.

Erste Schritte für internationale Abkommen sind gemacht. Es stellt sich jedoch die Frage, welchem Gremium die Verantwortung für Steuerung und Kontrolle übertragen werden kann - Kleinwächter sieht das meiste Potential bei der UNO.

"Die Zeit läuft ab. Weiteres Warten wird immer schwieriger zu rechtfertigen sein. Ein Vertrag zum Schutz des öffentlichen Kerns des Internets muss der nächste Schritt sein" so Kleinwächter.

Den ganzen Post von Prof. Kleinwächter können Sie bei brinknews.com nachlesen.

01.06.2019

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