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Weihnachtsgeschäft: Lokaler Handel in der Krise, Amazon legt zu
Die Weihnachtszeit ist üblicherweise der Jahresabschnitt, in dem der Einzelhandel ein ordentliches Umsatzplus einfährt. Alles was das ganze Jahr über wie Blei in den Regalen liegt, wird mit einer Schleife versehen und rausgehauen. Klar, manchmal ist noch ein kleiner Jahresendrabatt nötig - aber eigentlich mussten sich die Händler am Jahresende noch nie Gedanken über schwache Abverkäufe oder fehlende Einnahmen machen.
Das war im vergangenen Jahr deutlich anders - die Kassen klingeln nicht mehr beim deutschen Einzelhandel. Gerade mal ein dünnes Plus von 0,8 Prozent gegenüber 2018 konnten sich die Händler gutschreiben. Das ist geradezu traurig, denn im Gegenzug hat der Onlinehandel um 14,2 Prozent zugelegt, so das statistische Bundesamt. Das sind zwar vorläufige Zahlen, dennoch braucht man keine übersinnlichen Fähigkeiten, um den deutlichen Trend aus den veröffentlichen Zahlen herauszulesen.
Gewinner weit vor allen anderen: Amazon. Wer hätte es gedacht. Der Platzhirsch steigerte hierzulande seine Einnahmen um 18 Prozent auf 19,9 Mrd Euro - vor allem auch mit Hilfe seiner Cloud Services (AWS) und den Erlösen von Prime-, Marktplatz- und Werbeangeboten. Die weltweitern Ergebnisse dürften Jeff Bezos noch mehr in Verzückung geraten lassen: Insgesamt hat Amazon 2019 280,5 Mrd. Dollar eingenommen, davon 193,6 Mrd. Dollar alleine in den USA:
In den Chefetagen der deutschen Einzelhandelsketten und in den Konferenzetagen der Handelsverbände sollte spätestens jetzt hektische Betriebssamkeit ausbrechen - doch nichts dergleichen geschieht. Es ist von keinem Aktionsplan zu hören, es wird keine Initiative gestartet, keine Brandrede formuliert. Stattdessen beklagt man die Umsatzrückgänge, das Ladensterben in den Innenstädten und schimpft auf das böse Internet.
Besonders gebeutelt ist der mittelständische Innenstadthandel, laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) mussten bereits 39.000 Handelsstandorte schließen. Zwar sieht auch der HDE gesunde Wachstumschancen - allerdings wird die Pfründe allein der Online-Handel einfahren.
Nun ist das keine neue Entwicklung - es stellt sich die Frage, warum ein ganzes Wirtschaftssegment die letzten 10 Jahre so derart verschlafen hat. Das Wirtschaftsberatungsunternehmen Ecom Consulting hat das in einer Marktplatz-Studie Ende letzten Jahres auf den Punkt gebracht: Händler und Hersteller bewegten sich mit Dilettantismus in einem Milliardenmarkt, es mangele an "Grundlagenkenntnis" und Händler wie Hersteller zeichneten sich vor allem durch "Überforderung" aus. Zudem seien viele Unternehmen auch personell schlecht aufgestellt und hätten kaum spezialisierte Mitarbeiter für diesen Markt.
Es ist höchste Zeit aufzuwachen für den deutschen Einzelhandel und die hausgemachten Probleme anzugehen. Und dafür reicht keine popelige Homepage, sondern es muss Geld in die Hand genommen werden zur Entwicklung eigener, greifbarer und nachhaltiger Online-Strategien.
Oder die Sache ist gegessen und das Weihnachtsgeschäft der nächsten Jahre wird zum Schwanengesang des Einzelhandels.
Foto: Oleg Magni
03.02.2020
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