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Corona-Lockdown: Gewinner und Verlierer
Der lokale Einzelhandel war schon vor der Corona-Krise eine arg gebeutelte Branche, wir haben mehrfach darüber berichtet. Vor allem, weil dieser Geschäftszweig über Jahre hinweg die Digitalisierung verschlafen hat. Das ist in den Monaten März und April noch einmal deutlich zu Tage getreten, als Läden ohne "Systemrelevanz" als Reaktion auf Infektionsketten dauerhaft dicht machen mussten.
So hat sich der deutschlandweite Shutdown vor allem auf die Textilbranche ausgewirkt - desaströse minus 76% Umsatz alleine im April, wie die Branchenzeitschrift Textilwirtschaft im Rahmen einer regelmäßigen Markterhebung herausgefunden hat.
Zwar haben viele Händler hastig und verzweifelt einen Online-Shop auf die Beine gestellt, doch die konnten die entgangenen Offline-Einnahmen kaum kompensieren. Zum einen sind die meisten Shops laienhaft und ohne jegliche Planung aus dem Boden gestampft worden, zum anderen gab es kaum begleitendes Suchmaschinenmarketing, so dass die meisten Online-Läden im Netz überhaupt nicht sichtbar waren und daher keine bzw. nur marginale Umsätze generieren konnten.
Darüber hinaus scheint sich auch noch die Kauflaune der Zielgruppen in Grenzen gehalten zu haben - klar, wer von Kurzarbeit betroffen ist oder seinen Job ganz verloren hat, wird wahrscheinlich keine nennenswerten Summen in aktuelle Mode investieren.
Dennoch: Die fehlenden Online-Strategien sind der Branche in den vergangenen zwei Monaten schmerzhaft auf die Füße gefallen, spätestens jetzt sollten die Textil- und Einzelhandelsverbände die entsprechenden Weichen stellen.
Der lokale Buchhandel gehörte in den vergangenen Jahren immer zu den Sorgenkindern des lokalen Einzelhandels - auch weil Onlinehändler und vor allem Amazon ihnen das Geschäft mehr als streitig gemacht haben. Doch der Buchhandel geht insgesamt weit weniger gerupft aus der Krise hervor, als das viele Branchenkenner vermutet haben. Zum einen haben sich viele Händler schon seit Jahren ein zweites Online-Standbein aufgebaut und liefern teilweise schneller, als man das vom Online-Riesen Amazon gewohnt ist. Zum anderen haben die einzelnen Bundesländer ganz unterschiedliche Lockdown-Strategien gefahren - so konnten beispielsweise in Berlin Buchgeschäfte geöffnet bleiben, in anderen Ländern haben Buchhändler überraschend schnell auf die Krise reagiert und ihre Angebote an die neuen Gegebenheiten angepasst, online wie offline. Dennoch leckt auch die Buchbranche ihre Wunden, denn aufgrund der geringen Umsatzrenditen im Buchhandel sind kaum Finanzpolster vorhanden, die die Existenz der Buchhändler nachhaltig sichern könnte.
Wer arbeitet, muss essen - auch im Home-Office. So gehört der Lebensmitteleinzelhandel naturgemäß zu den Gewinnern des Lockdowns. Regelrecht in die Höhe geschossen sind jedoch die Einnahmen von Online-Lieferanten wie Hellofresh. Was sich extrem positiv auf den Aktienkurs des Kochpaket-Lieferdienstes auswirkt, wie Analysten erfreut feststellen. Nach dem Börsengang vor 3 Jahren noch ein Krisenfall, schrauben die Berliner ihre Umsatzprognose für dieses Jahr um eine ganze Milliarde nach oben - ein weiterer Beleg dafür, "das online was geht". Wenn man es richtig macht. Und für das Geschäft glückliche Umstände eintreten, weil beispielsweise sämtliche Restaurants im Lande geschlossen werden.
Millionen Menschen wurden während des Lockdowns in Quarantäne geschickt - da will man es zu Hause wenigstens gemütlich haben. Ob faulenzen oder Home-Office, neues Mobiliar muss her. Und weil Möbelgeschäfte und Großanbieter wie IKEA geschlossen sind, boomt auch in diesem Segment der Online-Handel, wenn Angebote attraktiv sind und Lieferzeiten überschaubar. So konnte der Online-Möbelhänder Wayfair seine Umsätze im ersten Quartal um 20% steigern, was sich wiederum positiv auf den Aktienkurs des Unternehmens ausgewirkt hat, der erreichte einen neuen Höchststand, wie CNBC berichtet.
In diesen Tagen wird der Handel wieder schrittweise hochgefahren - doch Entwarnung kann es für viele Branchen nicht geben. Denn noch einmal mehr haben Kunden in den vergangenen Tagen und Wochen feststellen können, wie einfach und bequem viele Online-Angebote zu verwenden sind und wie blitzartig teilweise geliefert wird. Das wird den stationären Händlern weitere Umsatzeinbußen bescheren, auch wenn die Coronakrise irgendwann längst überwunden sein wird. Es ist an der Zeit, aus dem Tiefschlaf zu erwachen und zumindest Teile des Geschäfts wohlüberlegt und strategisch geplant ins Internet zu verlagern.
Foto: Artem Beliaikin
06.05.2020
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